Das Nachtschwein unterwegs

Es war früh am Morgen (wirklich ganz früh, denn die Sonne guckte gerade so eben über die Büsche am Ende der Weide), da flog die Stalltür auf und eine Stimme rief: “He, aufwachen, das müßt ihr euch ansehen!”

Und schon war der Schatten, den man gerade noch im Licht der ersten Sonnenstrahlen gesehen hatte, wieder verschwunden.

Jetzt hörte man, wie gegen die Hundehütte gepoltert wurde und die gleiche Stimme den Hofhund weckte.

Alle Tiere rieben sich die Auge und folgten dem Schwein in eine der Scheunen.

“Ich konnte heute nacht wieder nicht schlafen”, erklärte das Schwein, “und da habe ich ein wenig hier herumgestöbert. Und das habe ich gefunden. Ich glaube, er funktioniert noch.”

Das Schwein schob ein paar Kisten beiseite, und zum Vorschein kam ein alter, sehr verstaubter Motorroller.

“Und hier in dem Koffer ist noch ein alter Fotoaparat! Ich werde auf Weltreise gehen. Morgen abend. Und ich werde Fotos machen. Die kann ich euch zeigen, wenn ich wieder zuhause bin.”

“Wie willst du fahren, ohne Benzin?” fragte der Hund.

“Und wie willst du fotografieren, ohne Film?” fragte die Katze. Denn sie wusste, dass heutzutage die modernen Kameras ganz ohne eingelegten Film funktionieren.

“Ich habe gedacht, ihr helft mir”, sagte das Schwein.

Die Tiere sahen einander an.

“Typisch unser Nachtschwein”, schnatterten die Gänse, “vergnügt sich, wenn alle schlafen, und die Arbeit dürfen tagsüber die anderen machen.”

“Na gut”, sagte schließlich die Katze, “wir kümmern uns darum. Schließlich haben wir ja auch etwas davon, wenn du uns nach deiner Reise etwas erzählen kannst.”

Und während das Schwein den Tag verschlief, besorgten die anderen, was für die Reise nötig war.

Die Katze spazierte in den Krämerladen des Dorfes und fand tatsächlich noch eine alte Filmpackung. Sie war ganz verstaubt. Zufrieden schnurrte sie. Und in einem unbeobachten Moment schnappte sie sich den Film für den Fotoaparat vom Regal.

An einem anderen Ort im Dorf hielten die Gänse Wache, damit der Hund einen Kanister mit Benzin stibietzen und zum Motorroller bringen konnte.

Am Abend, als alles dunkel war, und nur der Mond sein mildes Licht verbreitete, konnte man die Tiere am Stallfenster stehen sehen. Sie blickten auf die Landstraße hinaus, bis der Motorroller mit dem Schwein darauf nicht mehr zu sehen war.

Früh am nächsten Morgen fanden sie das Schwein schnarchend im Stroh.

“Erzählen, erzählen!” riefen alle im Chor.

Das Schwein rieb sich erschrocken die Augen. “Was? Wo bin ich? Oh ja, meine Reise. Die war wirklich aufregend. Hört zu!” Und das Schwein begann zu erzählen.

“Ich bin gefahren, bis ich zu einer großen Stadt kam. Die heißt Hamburg. Und dort habe ich Dinge gesehen, die noch kein Schwein vor mir gesehen hat. Häuser, hundertzwölf mal so hoch wie unser Stall. Und auf einem Fluß habe ich schwimmende Inseln aus Eisen gesehen mit Häusern drauf und ganz vielen großen Kisten aus Blech. Die wurden von den Inseln runtergeholt und andere dafür wieder draufgepackt.”

“Diese Inseln nennt man Schiffe”, sagte die Katze und tat, als hätte sie schon die ganze Welt gesehen.

“Aber das Tollste”, sagte das Schwein, “kommt noch! Mitten in der Stadt gibt es kleine Berge und Höhlen und viele Teiche und Bäume. Alles ganz nahe beieinander. Da leben nur Tiere. Riesige gestreifte Katzen, fast so groß wie ein Pferd. Und Pferde, gestreift wie Katzen. Und Tiere, so groß wie ein Heuhaufen. Mit Beinen, so dick wie ein Baum. Und mit einer Nase fast wie meine, aber so lang wie ein Gartenschlauch.”

“Solche Tiere gibt es gar nicht”, sagte die Katze.

“Unser Nachtschwein hat geträumt”, schnatterten die Gänse.

“Wer weiß, wer weiß”, sagte der Hund und kratzte sich nachdenklich hinter dem Ohr.

“Aber ich kann es euch beweisen”, sagte das Schwein. “Ich habe ja alles fotografiert!”

Und so nahmen sie den Film aus der Kamera, steckten ihn in einen Umschlag und schickten ihn an ein Fotogeschäft. Dann nahmen sie ein altes Ofenrohr, die Gänse rupften sich eine Feder aus und schrieben mit ihrer schönsten Schrift “SCHWEIN” und “Dorfstraße 50” darauf. Das Ofenrohr befestigten sie an einem Baum an der Straße. Das sollte ihr Briefkasten sein.

Als sie damit fertig waren, setzten sich die Gänse ins Gras und starrten den Briefkasten an.

“Worauf wartet ihr?” fragte der Hund.

“Auf den Briefträger”, schnatterten die Gänse im Chor.

“Aber wir haben den Film doch gerade erst weggeschickt”, sagte die Katze. “Vieleicht kommen die Fotos morgen.”

“Oder überübermorgen”, sagte das Schwein und gähnte.

Und so beschlossen sie, Geduld zu haben und gingen zurück auf den Hof. Das Schwein ging erst einmal wieder schlafen. Denn so eine Reise ist anstrengend.

Ein paar Tagen später steckte in ihrem Briefkasten ein dicker Umschlag. Das Schwein war sehr aufgeregt. Die anderen waren aufgeregt und sehr neugierig.

“Jetzt werdet ihr selber sehen”, rief das Schwein. “Die Riesenkatzen, die gestreiften Pferde und die großen Tiere mit Nasen wie Gartenschläuche!”

Das Schwein riß den Umschlag auf, und heraus purzelten die Fotos.

“Ich habe gewußt, daß du uns angeschwindelt hast”, sagte die Katze.

“Die sind ja fast schwarz”, schnatterten die Gänse enttäuscht. “Man sieht nur irgendwelche Schatten.”

“Aber ich habe sie doch wirklich gesehen”, flüsterte das Schwein traurig.

Alle saßen sie eine Weile schweigend um die Fotos herum.

“Nachts ist es zu dunkel zum Fotografieren”, sagte der Hund bedächtig. “Das hätten wir wissen müssen.”

Hoffnungsvoll hob das Schwein seinen Kopf und sah seine Freunde an.

“Ich glaube, du hast recht”, sagte schließlich die Katze. “Und vielleicht machen wir ja eines Tages alle zusammen eine Reise. Dann werden wir alle diese fabelhaften Tiere mit eigenen Augen sehen. Und wer weiß, vielleicht noch viel mehr unglaubliche Dinge.”

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